Dr. jur. Wilhelm Masser (1915-16 Amtsrichter in Germersheim)
Wilhelm Masser gelangte auf dem Dienstweg nach Germersheim, als das bayerische Justizministerium den 33-jährigen Juristen 1915 an das Amtsgericht versetzte. Masser war der gesellschaftliche und berufliche Aufstieg gelungen. Sein aus Kitzingen stammender Vater, ein Viehhändler, hatte 1880 Josefine geheiratet, die Tochter des gut situierten Würzburger Viehhändlers David Rosenheim. Als Geschäftspartner des Schwiegervaters konnte David Masser seinen 1881 und 1883 geborenen Söhnen Wilhelm und Ludwig eine gute Bildung ermöglichen.
Wilhelm, der ältere Bruder, besuchte das Humanistische Gymnasium in Würzburg und studierte an der renommierten Julius-Maximilians-Universität Rechts- und Staatswissenschaften. Er setzte seine Studien in Berlin fort und wurde 1906 in Justiz- und Verwaltungswesen promoviert. Kurz vor dem Eintritt in die Justizlaufbahn als Amtsanwalt heiratete er 1909 die Musiklehrerin Nelly Süßer, Tochter eines Würzburger Textilgroßhändlers. 1911 wurde er auf die Stelle des zweiten Staatsanwalts im oberfränkischen Hof/Saale berief. 1915 führte ihn seine Karriere als Amtsrichter nach Germersheim, wo das Ehepaar in der Bismarckstraße, unweit des Gerichtsgebäudes, wohnte.
Im Oktober 1916 wurde er eingezogen und erlebte den Ersten Weltkrieg an der Westfront im Nordosten Frankreichs. Der nationalpatriotisch gesinnte jüdische Soldat bewährte sich, wurde Ende Oktober 1917 zum Gefreiten und im Juli 1918 zum Unteroffizier befördert, und mit mehreren Verdienstkreuzen ausgezeichnet. Nach Kriegsende wurde er 1919 Amtsrichter in München. Mitte September 1919 zog das Ehepaar Masser von Würzburg nach München, wo elf Monate später ihre Tochter Elisabeth Johanna zur Welt kam. 1927 folgte die Ernennung zum Oberamtsrichter.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte das Leben der Familie Masser grundlegend. Trotz des am 7. April 1933 erlassenen Gesetzes „zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, das jüdische und politisch missliebige Beamte aus dem Dienst entfernte, blieb Wilhelm Masser im Amt, da er als Kriegsteilnehmer das „Frontkämpferprivileg“ genoss und vor dem August 1914 verbeamtet worden war (Altbeamtenregel). Mit den im September 1935 verabschiedeten Nürnberger Rassengesetzen, die jüdische Frauen und Männer von Reichsbürgern und Reichsbürgerinnen zu bloßen Staatsangehörigen minderen Rechtsstatus herabstuften, verloren auch die Ausnahmeregeln ihre Geltung. Damit war Massers Zeit als Richter abgelaufen.
Als Folge des Novemberpogroms 1938 wurde Masser aus seiner Wohnung ins nahe Konzentrationslager Dachau verschleppt, um zur Ausreise und zur „Arisierung“ seines Vermögens erpresst zu werden. Masser kam erst wieder im Januar 1939 frei. Die Winterkälte, die zermürbende Zwangsarbeit und die permanente Misshandlung hatten ihm bereits gesundheitlichen Schaden zugefügt. Er starb am 14. März 1940. Seine Familie bestattete den 58-jährigen auf dem Neuen Israelitischen Friedhof München. Sein Erbe wurde konfisziert und seine Ehefrau Nelly wurde zusammen mit ihrem Schwager Ludwig und dessen Gattin Gertrude im Herbst 1941 nach Litauen deportiert und am 25.11.1941 bei Kaunas ermordet.
Von den nächsten Angehörigen der Brüder Masser überlebten lediglich Ludwig Massers Sohn Wolfgang – 1939 hatten Verwandte dem Zwölfjährigen die Flucht in die Schweiz ermöglicht – und Wilhelm Massers Tochter Elisabeth, die sich 1938/39 als Flüchtling nach Großbritannien rettete.