Elsa Leiser (in Germersheim aufgewachsen)
Wie ihre drei Jahre jüngere Schwester Magdalene wurde Elsa 1881 in Germersheim als Tochter von Sara und Gustav Cahn (1839-1897) im elterlichen Wohn- und Geschäftshaus (Hauptstraße 136) geboren. Der Handel mit Manufakturwaren, Damenmoden und Stoffen bot der jüdischen Familie eine verlässliche Existenzgrundlage. Nach dem Tod des Vaters verließ Elsa Ende 1903 Germersheim und heiratete den Rechtsanwalt Julius Leiser (1876-1942) aus dem lothringischen Metz. Ihre Mutter führte das Geschäft nun allein.
Julius Leiser, der seit 1902 als Rechtsanwalt beim Landgericht Metz zugelassen war, eröffnete eine Kanzlei, die er bis 1918 zusammen mit dem politisch einflussreichen Albert Grégoire betrieb. Hohes fachliches Können, Fleiß und Sorgfalt verschafften der Kanzlei einen vorzüglichen Ruf. Während des Ersten Weltkriegs bearbeitete Leiser beispielsweise die juristischen Angelegenheiten der Gouvernement-Intendantur Metz und erhielt dafür im Juni 1917 das Preußische Verdienstkreuz für Kriegshilfe. Derart exponiert musste der 42-jährige Leiser im Zuge der Rückgliederung der Region an Frankreich im Januar 1919 als persona non grata seine Heimat verlassen. Gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrags galt er nicht als Franzose und verlor deshalb neben seiner Anwaltszulassung auch die Aufenthaltsberechtigung.
Das Ehepaar Leiser siedelte daher nach Wiesbaden über, um dort neu zu beginnen. Da den fähigen Anwalt bald finanzstarke und prominente Mandanten wie die Sektkellerei Henkell und der ehemalige deutsche Kronprinz Wilhelm von Preußen konsultierten, besserte sich die finanzielle Situation zusehends. Leiser konnte ein Geschäfts- und ein Wohnhaus erwerben. Die im Wiesbadener Großbürgertum respektierte Stellung des Ehepaars Leiser bröckelte nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Bereits am 12. Juni 1933 wurde Leiser durch Verfügung des preußischen Justizministers als Notar kaltgestellt. Zwar durfte er noch als Rechtsanwalt arbeiten, die Zahl seiner „arischen“ Mandanten – allen voran die Sektkellerei Henkell, in die Hitlers späterer Außenminister Joachim v. Ribbentrop eingeheiratet hatte –, sank beständig, woraufhin er seine Kanzlei erheblich verkleinern musste. Eine Verordnung zum Reichsbürgergesetz nahm ihm 1938 endgültig die Zulassung als Rechtsanwalt.
Finanziell ruiniert von der Judenvermögensabgabe, die reicheren jüdischen Familien auferlegt wurde, wanderten die Leisers im Januar 1939 ins Großherzogtum Luxemburg aus, wo sie in bescheidenen Verhältnissen lebten. Vorbedingung der Ausreise war die Entrichtung von 24.442 RM an „Reichsfluchtsteuer“, einem Gesetz, das die Nationalsozialisten zur Teilenteignung der außer Landes genötigten jüdischen Deutschen umfunktioniert hatten. Die wiedererlangte bürgerliche Normalität der Leisers dauerte kurze 16 Monate: Im Mai 1940 besetzte die Wehrmacht den kleinen Nachbarstaat, der unter Zivilverwaltung gestellt und wie ein Teil des Großdeutschen Reichs behandelt wurde.
Im Herbst 1941 wurde Leisers Haus in Wiesbaden zwangsverkauft. Der Kaufpreis floss der deutschen Zivilverwaltung in Luxemburg zu. Vermutlich deshalb fuhr Leiser nach Wiesbaden zurück, wo er kurzerhand verhaftet wurde. Nach Fürsprache von Katharina Henkell – der Witwe des einstigen Chefs der Sektkellerei und v. Ribbentrops Schwiegermutter – konnte er an seinen Wohnort zurückkehren. Dort verstarb er am 24. September 1942. Das ganze Schreckensszenario der Verfolgung erlitt hingegen seine Ehefrau Elsa. Die geborene Germersheimerin wurde am 6. April 1943 mit einem Bahntransport zuerst ins Ghetto Theresienstadt, dann ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht und gleich nach Ankunft am 15. Mai 1944 durch Giftgas ermordet.