Familien Rosenbaum/Rosenthal

Noë, Arthur und Friedrich Rosenbaum;
Louis „Lui“, Elsa, Günther und Ingeborg Rosenthal
(Stolpersteine Hauptstraße 9)

Der 27-jährige Noë Rosenbaum kam 1891 durch seine Ehefrau Fanny Vollmer aus Mittelfranken in Germersheims kleine jüdische Gemeinde. Ihr Vater Samuel Vollmer führte seit 1860 in der Hauptstraße 135 ein Textil- und Bekleidungshaus. 1899 kaufte Noë Rosenbaum ein Wohn- und Geschäftshaus, in dem er vorwiegend Damenkonfektion verkaufte und zu dessen Erfolg seine Ehefrau, eine gelernte Modistin, wesentlich beitrug.

Das Anwesen, in dem das Ehepaar Rosenbaum mit Kindern und Enkeln bis 1938 wohnte, lag unweit des Ladenlokals des Schwiegervaters an der Hauptstraße Nr. 134 (heute Nr. 9). Im frühen 20. Jahrhundert leitete Noë Rosenbaum mit zwei Partnern außerdem die Zigarrenfabrik Lorenz in Lingenfeld. Zur selben Zeit wurde er erstmals in den Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde gewählt, die er nach dem Ersten Weltkrieg bis zu ihrer Auflösung führte.

Das Ehepaar Rosenbaum hatte drei Kinder: Elsa (geb. 1893), Friedrich Salomon (geb. 1894) und Arthur (geb. 1900). Friedrich meldete sich 1915 mit 19 Jahren freiwillig zur Truppe und wurde im Ersten Weltkrieg an der Westfront eingesetzt. Er wurde für seine tadellose Führung geehrt, kehrte aber nach der Demobilisierung mittellos nach Frankfurt zurück, wo er seine Ausbildung zum Kaufmann absolviert hatte. 1921 heiratete der Kriegsveteran die Kaufmannstochter Mathilde Wachenheimer, die 1931 im Alter von nur 37 Jahren starb. 1939/40 musste Friedrich Rosenbaum in eines der jüdischen Ghettohäuser in Frankfurt umziehen. Im November 1941 deportierten ihn die Nationalsozialisten nach Kowno/Kaunas [Ghetto Kauen] in Litauen. Unmittelbar nach der Ankunft wurde der gesamte Transport durch die Stadt zum berüchtigten Fort IX eskortiert und dort zusammen mit anderen Deportierten aus Deutschland erschossen. Friedrich Rosenbaum befand sich unter den namenlos verscharrten Ermordeten, deren Zahl später auf 100.000 Personen stieg. 

Elsa Rosenbaum hatte 1919 den Kaufmann Lui Rosenthal geheiratet. Bis zu seinem frühen Tod Mitte der 1930er Jahre war Rosenthal Partner und designierter Geschäftsnachfolger seines Schwiegervaters gewesen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatten sich unter der französischen Besatzung die Lebensverhältnisse der Germersheimer Bevölkerung verschlechtert. Auch die Rosenbaums / Rosenthals litten unter der andauernden Konjunkturflaute. Noch 1951 reklamierte die Volksbank Germersheim eine Restschuld über 200 DM aus einem Darlehen. Nach dem Tod des Ehemanns musste Elsa Rosenthal ihre beiden schulpflichtigen Kinder unter den harschen Bedingungen des Nationalsozialismus allein erziehen und ihren alternden Vater versorgen.  

Der jüngste Sohn Arthur Rosenbaum hatte in Mannheim den Beruf des Kaufmanns erlernt, wo er mit kurzer Unterbrechung auch lebte. 1929 heiratete er Ida Postel, eine protestantische Ludwigshafenerin. Diese als „gemischtrassisch“ bezeichnete Ehe hielt dem gesellschaftspolitischen Druck nicht lange stand. Als 1935 die Nürnberger Gesetze die jüdischen Deutschen zu Personen minderen Werts deklassierten und ihnen das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ elementare Menschenrechte entzog, ließ sich das christlich-jüdische Ehepaar zwar nicht scheiden, lebte aber getrennt: sie in Ludwigshafen, er in Mannheim. Wahrscheinlich wollte Arthur so seine „jüdisch versippte“ Ehefrau vor Repressalien schützen.  1940 wurde er von Mannheim ins südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Um den schlimmen Bedingungen im Lager zu entkommen, meldete er sich für den Arbeitseinsatz. In den Reihen der G.T.E. 182 (Arbeitsgruppe ausländischer Arbeiter) verrichtete er bei Toulouse Zwangsarbeit. 1942 wurde er vom Lager Paris-Drancy ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt. Dort verliert sich seine Spur, so dass ihn das Amtsgericht Mannheim 1952 unter dem fiktiven Sterbedatum des Silvestertags 1942 für tot erklärte. 

Im Frühjahr 1938 stand das zuletzt von der Witwe Elsa Rosenthal betriebene Geschäft vor dem endgültigen Aus. Der Boykott jüdischer Geschäfte und eine Vielzahl von Restriktionen sowie der Tod des Vaters führten dazu, dass Elsa und ihre Kinder Günther und Ingeborg Rosenthal 1938 nach Frankfurt/M. zogen. Während des Novemberpogroms 1938 wurde der 18-jährige Günther verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau gebracht, aus dem man ihn nach drei Monaten entließ. Der junge Mann bereitete seine Flucht nach Palästina vor, kam jedoch nur bis Jugoslawien, wo ihn 1941 deutsche Truppen aufgriffen. Möglicherweise befand er sich unter den jüdischen Flüchtlingen eines seit Dezember 1939 auf Donauflussdampfern festgehaltenen Palästina-Transports. Günther Rosenthal wurde im Oktober 1941 mit rund 2.100 Männern nach Zasavica getrieben, dem Ort des späteren Konzentrationslagers bei Sremska Mitrovica, und im Zuge einer Vergeltungsmaßnahme für Partisanenangriffe erschossen. Wenig später wurden seine Mutter und seine Schwester Ingeborg ins Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert. Dort verliert sich ihre Spur – beide wurden nach Kriegsende für tot erklärt.  

Das 1941 konfiszierte Rosenbaum-Anwesen sollte nach dem Krieg zurückgegeben werden, aber das rheinland-pfälzische Finanzministerium machte Ausgaben für die Sicherung des zerbombten Gebäudes geltend, so dass das „Judenhaus Rosenbaum“, wie es noch 1949 vom Finanzamt Germersheim genannt wurde, schließlich von der ortsansässigen Baufirma Ludwig Roth abgerissen und das Grundstück an den Germersheimer Eugen Nebel verkauft wurde. So erinnert nichts mehr an die Familien Rosenbaum und Rosenthal aus Germersheim.