Gebrüder Ehrmann

Brüder Eugen und Otto Ehrmann (in Germersheim geboren)

Ihren ersten Lebensabschnitt verbrachten die Brüder Eugen (1895-1943) und Otto Ehrmann (1898-1942) in ihrem Geburtsort Germersheim. Ende des 19. Jahrhunderts erteilte ihr Vater Ferdinand Ehrmann den jüdischen Schülern der Stadt Religionsunterricht und war der Vorbeter der Israelitischen Gemeinde. Er heiratete die einheimische Kaufmannstochter Karoline Levy. Die Familie zog nach Landstuhl, wo Ferdinand bereits 1911 verstarb.

Die finanziell angespannte Situation für die Witwe und ihre Söhne besserte sich, als der ältere Sohn, Eugen, nach seiner kaufmännischen Lehre zum Familienbudget beitrug. Eugen wurde jedoch im Mai 1917 einberufen und an der Westfront eingesetzt. Er erlitt mehrere Kriegsverletzungen und wurde im Juli verschüttet. Zwei Wochen nach dem Waffenstillstand entließ man ihn. An seine soldatischen Verdienste erinnerten den damals 23-jährigen das schwarze Verwundetenabzeichen und das Preußische Eiserne Kreuz 2. Klasse. Die Nachkriegszeit führte den Buchhalter aus der von französischen Truppen besetzten Pfalz in die Nähe von Offenbach am Main. An seinem neuen Wohnort heiratete er 1923 Johanna Schönmann, die Tochter des Tuch- und Stoffhändlers Emil Schönmann und dessen Ehefrau Auguste. Mit den 1924 und 1926 geborenen Söhnen Horst und Erwin wohnte die junge Familie im Haus der Schwiegereltern in geordneten kleinbürgerlichen Verhältnissen.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 veränderte sich das Leben der Familie drastisch: Großvater und Enkel wurden aus dem Turnverein ausgeschlossen; 1935 verließen beide Kinder die örtliche Volksschule und besuchten stattdessen eine jüdische Schule in Offenbach, um den Diskriminierungen zu entgehen. Einschneidende Restriktionen zwangen Emil Schönmann, sein Geschäft aufzugeben. Während des Novemberpogroms 1938 verhaftete die Gestapo ihn und seinen Schwiegersohn Eugen Ehrmann und brachte sie ins Konzentrationslager Buchenwald. Ihre Entlassung im Dezember 1938 war an die Bedingung geknüpft, „umgehend“ auszuwandern und über die Lagerhaft zu schweigen.

Noch im Dezember zogen die Familien nach Frankfurt am Main. Der an den Erfordernissen der Kriegswirtschaft ausgerichtete Arbeitsmarkt machte jüdische Arbeitnehmer faktisch zu Zwangsarbeitern: Eugen Ehrmann verdingte sich in einem Frankfurter Gartenbaubetrieb, Ehefrau Johanna in der Hansa-Großwäscherei in Niederrad. Sohn Erwin absolvierte eine Ausbildung in der jüdischen Anlernwerkstatt, und Sohn Horst verrichtete Hilfsarbeiten bei der Firma Alfred Tewes GmbH – für 36 Pfennig pro Stunde.  

Die beiden jungen Männer wurden am 11. Juni 1942 von Frankfurt ins östliche Polen verschleppt. Im Raum Lublin holte man für den Aufbau des Vernichtungslagers Majdanek jüngere, kräftige Juden aus den neu eintreffenden Transporten. Die extrem harten Lebensbedingungen forderten viele Tote. Der 15-jährige Erwin starb dort am 3. August 1942, am 10. September auch der zwei Jahre ältere Horst. Ihr Schicksal blieb den Eltern unbekannt. Am 15. September gelangten die Ehrmanns und Schönmanns zusammen mit 1.370 hessischen Jüdinnen und Juden per Sonderzug ins Ghetto Theresienstadt. Von dort wurden Johanna und Eugen Ehrmann am 29. Januar 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet. Auguste und Emil Schönmann erlitten im Mai 1944 dasselbe Schicksal.  

Eugens Bruder Otto, ein kaufmännischer Angestellter, hatte seinen Wohn- und Arbeitsort 1931 von Landstuhl nach Offenbach verlegt. Über ihn ist nur bekannt, dass er im August 1936 Sophie Nussbaum heiratete. Im September 1942 wurde das kinderlose Ehepaar von Darmstadt ins Vernichtungslager Treblinka deportiert, wo es offensichtlich kurz nach der Ankunft ums Leben kam. 

Eugen und Otto Ehrmanns Mutter Karoline verlor im August 1939 die deutsche Staatsangehörigkeit. Ihre offizielle Ausbürgerung zu diesem Zeitpunkt deutet darauf hin, dass sich die 63-Jährige ins Ausland absetzen konnte. Möglicherweise war sie die einzige aus der Familie Ehrmann, die dem NS-Terror entkam.